Social-Egg-Freezing und Social Reproduction Theory

Unter Egg-Freezing oder “Eizellenvorsorge” (Hotz 2017:1) wird das vorsorgliche Entnehmen, Einfrieren und Aufbewahren von Eizellen einer Frau verstanden, um mit diesen zu einem späteren Zeitpunkt im Leben mittels In-Vitro-Fertilisation zu befruchten, wiedereinzusetzen und dadurch einen Kinderwunsch derselben Frau zu erfüllen. Der Begriff des Social-(Egg-)Freezing betont im Gegensatz zum Medical-(Egg-)Freezing, dass die Motivation für den Eingriff nicht aus gesundheitlichen Gründen (etwa bei anstehenden Chemotherapien, welche die Eizellen gefährden) erfolgt, sondern ohne medizinische Indikation, namentlich mangels passendem Partner, finanziellen oder anderen Gründen, welche den Zeitpunkt zum Kinder haben ungünstig machen. Hotz (Hotz 2017: 2) weist diese Begriffsdichotomie zu Gunsten des allgemeineren Begriffs der “Eizellenvorsorge” als unscharf zurück, unter anderem deshalb, weil auch die notwendigerweise eintretende altersbedingte Infertilität auch als “Krankheit” konstruiert werden kann. Im englischsprachigen Raum wird anstelle von Social-Egg-Freezing auch von “elective egg freezing” oder “non-medical egg freezing” gesprochen (Alteri et al. 2019: 647). Gegenstand dieses Essays soll die Praxis der selbstbestimmten Entnahme, Einfrierung und Aufbewahrung von Eizellen ohne unmittelbar drohender Unfruchtbarkeit und einem nicht-pathologisierenden Verständnis der längerfristig notwendigerweise zu erwartenden Unfruchtbarkeit spätestens nach der Menopause sein. Dafür wird der Begriff des Social-Egg-Freezing oder die Abkürzung SEF verwendet.

Die Praxis des Social-Egg-Freezing wirft ethische und moralische Fragen auf und wird in verschiedenen Diskursen unterschiedlich normativ bewertet. Cattapan et al. ( 2014: 238) greifen den normativen Diskurs um SEF auf und weisen darauf hin, dass in einigen feministischen Diskursen (vgl. Harwood 2009) SEF als “game changer” erachtet wird, welcher Frauen ermöglicht “to have it all”, also Karriere zu machen und biologisch verwandte Kinder zu haben. Dies wird jedoch von Cattapan et al. ( 2014: 238) als unterkomplexe Bewertung bezeichnet, welche Herausforderungen einer zunehmend kompetitiven Arbeitswelt und akademischer Umwelt zu wenig berücksichtigt. Diese Debatte ist nicht neu.1 Eine Frage, die sich stellen lässt, ist, ob SEF die Geschlechtergerechtigkeit fördert oder untergräbt (Harwood 2015: 66)? Wie (Harwood 2015: 66) in einer späteren Publikation treffend feststellt, hängt die Beantwortung dieser Frage stark davon ab, welcher normative Rahmen eingesetzt wird und welches Verständnis der Natur und der Ursprünge von Ungleichheiten zwischen Geschlechtern sowie dem Sinn und den Grenzen von medizinischen Technologien dahinter steht.

In diesem Essay soll die Praxis des Social-Egg-Freezing unter der Perspektive der marxistisch-feministischen Social Reproduction Theory (Vogel 2013) betrachtet werden. Diese Theorie argumentiert einerseits eng am Kapital von Karl Marx und beleuchtet die Frage nach der Unterdrückung der Frauen und patriarchalen Strukturen unter einem Blickwinkel der politischen Ökonomie. Damit kann die Praxis des Social-Egg-Freezing aus einer Perspektive betrachtet werden, welche meines Erachtens oftmals wenig Berücksichtigung findet. Gleichzeitig ist zu betonen, dass solch ein marxistischer Ansatz nur einen spezifischen Standpunkt oder mit den Worten von (Harwood 2015: 66) nur einen von vielen normativen Rahmen darstellt und somit andere Faktoren ausklammert.

Der Essay ist folgendermassen gegliedert: Es wird (1) die Social Reproduction Theory soweit wie für die weitere Diskussion nötig herausgearbeitet, um dann (2) gestützt auf Studien zu fragen, wer Social-Egg-Freezing in Anspruch nimmt und welche individuellen Motive dafür relevant sind. Anschliessend werden (3) einige hinter der Praxis des Social-Egg-Freezing liegende gesellschaftliche Entwicklungen zu Erstgeburten, Erwerbsquoten und zu erwartender Bildungsdauer angeschnitten, um dann schliesslich (4) die Ausgangsfrage zu diskutieren und zu beantworten.

Social Reproduction Theory

Vogel ( 2013: 141) argumentiert in ihrer 1983 verfassten Monographie, dass bisherige sozialistische und marxistische Texte keinen stabilen analytischen Rahmen zur Theoretisierbarkeit der Unterdrückung und Befreiung von Frauen bot. Diesen zu schaffen, ist das Ziel ihres Buches. Die Kategorie der “Frauenfrage” sei keine adäquate Analysekategorie, vielmehr müsse das Problem von der Reproduktion der Arbeitskraft her gedacht werden (Vogel 2013: 142).

In Folgenden wird Vogel’s Hauptargument wiedergegeben, welches sie im Kapitel 10 erarbeitet ( 2013, Kap. 10):

Menschen haben die Kapazität, grösseren Gebrauchswert zu produzieren, als sie für ihre unmittelbare eigene Subsistenz benötigen. In einer Klassengesellschaft wird dieses Potential zu Gunsten der herrschenden Klasse organisiert, wobei diese die Mehrwertproduktion der beherrschten Klasse gemäss einem bestimmten Set von sozialen Beziehungen aneignet. Damit diese Klassengesellschaft bestehen kann, muss ständig eine bestimmte Menge an ausbeutbarer Arbeitskraft vorhanden sein, welche den Mehrwert produziert. Arbeiter*innen leben hingegen nicht für immer, sie erleiden Abnutzung, Verschleiss und Tod und müssen kontinuierlich durch mindestens die gleiche Menge an frischer Arbeitskraft ersetzt werden. Wo diese Ersetzung durch generationale Reproduktion gewährleistet wird2, werden biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen relevant. Frauen und Männer sind bezüglich diesem spezifischen Punkt verschieden, denn die biologische Reproduktion von Menschen erfolgt nicht durch Parthenogenese (Vogel 2013: 146). Die teilweise reduzierte Arbeitskapazität von Frauen während des Kinderkriegens schafft potentiell einen Widerspruch für die herrschende Klasse (Vogel 2013: 151): Wenn Frauen absorbiert sind durch Schwangerschaft und Geburt von Kindern, können sie in dieser Zeit nicht gleichermassen wie andere Personen in der Mehrwert-Produktion ausgebeutet werden. Wenn aber Frauen keine Kinder gebären, ist die Reproduktion der Arbeitskraft nicht sichergestellt, was wiederum die Ausbeutung des Mehrwerts gefährdet.

Dieser Widerspruch zwischen generationaler Reproduktion und Mehrwertmaximierung ist für Vogels Argument zentral: Aus klassenkämpferischen Versuchen, diesen Widerspruch aufzulösen, entwickelten sich historisch verschiedene Formen der Reproduktion der Arbeitskraft. Sie bedeuten in fast allen Fällen eine größere Verantwortung der Männer der beherrschten Klasse für die Bereitstellung materieller Existenzmittel (Verkauf der Arbeitskraft durch Lohnarbeit), eine größere Verantwortung der Frauen der beherrschten Klasse für die laufenden Aufgaben der notwendigen Arbeit (reproduktive bzw. Care-Arbeit) sowie institutionalisierten Formen der männlichen Herrschaft über Frauen.

Vogel hält fest, dass Frauen in den meisten Klassengesellschaften einerseits an der Mehrwertproduktion und andererseits an der notwendigen Arbeit (Reproduktion) teilnehmen (Vogel 2013: 155). Die tatsächlich Ausgestaltung der Reproduktion müsse stets in ihrem historischen Kontext betrachtet werden. Vogel’s These lautet, dass aus ihrer theoretischen Perspektive bestimmte Tendenzen abgeleitet werden können, nämlich, dass in Situationen, welche die generationale Ersetzung der Arbeitskraft minimieren (z.B. durch Sklaverei oder Einwanderung), die Geschlechterunterschiede in der Arbeit und familialen Institutionen relativ schwach werden können (und vice versa) (Vogel 2013: 155): Eine tiefe Gewichtung der generationalen Reproduktion schwächt also die Geschlechterunterschiede und führt quasi zu schwächeren patriarchalen Strukturen, eine hohe Gewichtung umgekehrt aber zu einem starkem Patriarchat. Abhängig von der historischen Situation können also entweder die Rolle der Familie als Ort der generationalen Reproduktion oder die Teilnahme der Frauen an der Mehrwertproduktion betont werden (oder beides) (Vogel 2013: 155). In Perioden, in welchen die herrschende Klasse die Mehrwertproduktion maximieren muss, werden tendenziell alle Individuen in diese eingebunden, was zu schweren Veränderungen in den Institutionen des Familienlebens und der männlichen Dominanz führt (Vogel 2013: 156). Dies sei der Fall im sich industrialisierenden England zu Zeiten Marx gewesen, jedoch auch in den hochkapitalistischen Ländern von heute (Vogel 2013: 156).

Vor dem Hintergrund einer Maximierung des Mehrwerts scheint es somit sinnvoll, die Hausarbeit durch Sozialisierung ihrer Aufgaben (z.B. in Kindertagesstätten, Tagesschulen etc.) zu reduzieren (Vogel 2013: 162): So kann familiale Hausarbeit rationalisiert werden, was die Kosten für die notwendige Arbeit senkt (relative Mehrwertsteigerung) und gleichzeitig kann eine grössere Zahl von Haushaltmitgliedern der Arbeiterschaft beitreten (absolute Mehrwertsteigerung). Der zunehmende Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen erachtet Vogel ( 2013: 167) als Manifestation der strukturellen Tendenz von kapitalistischen Gesellschaften hin zu einer grösstmöglichen Verfügbarkeit von Arbeitskraft. Eine letzte Barriere für diese Rationalisierungstendenz bildet der Prozess des Kindergebärens (Vogel 2013: 163).

Wer nimmt aus welchen Gründen Social-Egg-Freezing in Anspruch?

Es existieren relativ wenige Studien über Frauen, welche Social-Egg-Freezing in Anspruch nehmen, und ihren individuellen Motiven. Die Feststellung von (Hotz 2017: 3), dass für die Schweiz keine Daten vorliegen, trifft meines Wissens auch heute noch zu. In den hier berücksichtigten Studien wird SEF grösstenteils von Frauen im Alter ab Mitte 30 bis Ende 40 in Anspruch genommen (Alteri et al. 2019: 647; Baldwin et al. 2019: 167; Vallejo et al. 2013: 4), wobei die späten Einfrierungen aufgrund von möglichen Gesundheitsrisiken und geringen Erfolgschancen fragwürdig sind (vgl. Wunder 2013: 5). Die meisten Frauen gehören der gehobenen Mittelklasse an, haben einen höheren Bildungsabschluss, sind berufstätig und Single (Alteri et al. 2019: 647; Baldwin et al. 2019: 167; Vallejo et al. 2013: 4).

Es werden folgende Motive für SEF genannt: es fehlt an einem geeigneten Partner (Alteri et al. 2019: 647; Baldwin et al. 2019: 168; Hotz 2017: 3), die Menopause naht (Hotz 2017: 3), die Zeit rennt ganz allgemein davon (Baldwin et al. 2019: 168) oder es wird spätere Reue befürchtet, wenn die Möglichkeit des Social-Egg-Freezing nicht genutzt wurde (Baldwin et al. 2019: 169). Umstritten sind Motive bezüglich der Karriere oder der Vereinbarkeit von Beruf und Kinderwunsch. Die in Medien oftmals auftauchende These, dass Frauen, welche Social-Egg-Freezing in Anspruch nehmen, die eigene Karriere einem Kinderwunsch vorziehen, hält den empirischen Daten nicht Stand (Baldwin et al. 2019: 170). Trotzdem gibt es Befunde, dass nicht abgeschlossene Berufs- und Ausbildungspläne (Harwood 2015: 61; Hotz 2017: 3) oder professionelle oder finanzielle Probleme (Alteri et al. 2019: 647; Harwood 2015: 61) als Motive auftauchen.

Späte Mutterschaft, Erwerbsquoten und Bildungsdauer

Auf gesellschaftlicher Ebene lässt sich für die Schweiz und Länder des globalen Nordens aufzeigen, dass sich das Alter von Frauen zum Zeitpunkt ihrer Erstgeburt in den letzten 20 Jahren erheblich erhöht und von Mitte 20 tendenziell Richtung Anfang oder Mitte 30 verschoben hat (Baldwin 2018: 679; Hotz 2017: 4). Wie lässt sich diese Entwicklung erklären? Eine tiefergehende Analyse ist hier nicht möglich, Baldwin ( 2018: 861) nennt aber einige Aspekte, welche hauptsächlich ökonomischen Ursprungs sind: die Notwendigkeit eines Doppeleinkommens pro Haushalt, um mit den steigenden Lebenskosten mithalten zu können (Daly & Bewley 2013; Waldby 2015); Befürchtungen zur wirtschaftlichen Unsicherheit und Marktinstabilität (Adsera 2011; Bono, Weber, & Winter-Ebmer 2015); das Bedürfnis nach finanzieller Stabilität vor der Elternschaft (Cooke, Mills, & Lavender 2012; Daniluk & Koert 2017); der Bedeutungsverlust vom fordschen Normalarbeitsverhältnis und Zunahme von prekären Anstellungsbedingungen (Daly & Bewley 2013; Waldby 2015) und die hohen Kosten für Kinderbetreuung (Berrington 2004). Gleichzeitig sind Frauen zunehmend in den Arbeitsmarkt integriert (Baldwin 2018: 861), generell steigt die Ausbildungsdauer (Clarke & Hammarberg 2005) und die Verlässlichkeit von Verhütungsmitteln nimmt zu (Tough et al. 2002). Neben diesen Aspekten nennt (Baldwin 2018: 861) die zunehmende Schwierigkeit einen Partner zu finden, welcher geeignet ist und Kinder haben möchte sowie die zunehmende Normalisierung von Beziehungsauflösungen und mehreren Partnerschaften.

Diese Entwicklungen können auch für die Schweiz vermutet werden. Waren 1970 nur 31.1% aller gebärenden Frauen über 30 Jahre alt, sind es 2018 bereits 71.7%, das Alter verschiebt sich also nach oben (BFS 2019 a). Die zu erwartende Bildungsdauer hat insgesamt auf 17.1 Jahre (2015) zugenommen, bei Frauen jedoch noch stärker, als bei Männern (BFS 2018). Die Erwerbsquote von Frauen, also der Anteil an Frauen, welche am Arbeitsmarkt teilnehmen, lag 1970 bei ca. 41% der Gesamtbevölkerung und 2018 bei 62% (BFS 2019 b). Gleichzeitig hat sich jedoch, die Erwerbsquote bei Männern nur gering verringert und ist seit den 1970er von ca. 80% auf 75% gefallen. Die Erwerbsquote der Gesamtbevölkerung hat insgesamt zugenommen, zwischen 1970 und 1990 pendelte sie um die 60% mit schwankender Tendenz nach oben und ist seit 1990 bei ca. 68% stabil. Die Statistiken zur Erwerbsquote sind nur bedingt aussagekräftig, da Teilzeitarbeitsverhältnisse nicht abgebildet werden. Jedoch lässt sich bereits durch diese Daten vermuten, dass insgesamt auf dem Arbeitsmarkt ein zunehmender Konkurrenzkampf und Selektionsdruck herrscht.

Social-Egg-Freezing und Social Reproduction Theory

Die oben beschriebenen Entwicklungen weisen darauf hin, dass wir uns aus Perspektive der Social Reproduction Theory in einer Phase befinden, in welcher die Mehrwertproduktion maximiert und deshalb möglichst viel Arbeitskraft mobilisiert werden soll. Vor diesem Hintergrund erscheint Social-Egg-Freezing als willkommenes Mittel, um den von Lise Vogel aufgeworfenen Widerspruch zwischen generationaler Reproduktion und Mehrwertproduktion reproduktionstechnologisch aufzulösen: Durch Social-Egg-Freezing kann die Reproduktion gewährleistet werden, ohne dass dabei Frauen als Arbeitskräfte ausfallen. Durch die Digitalisierung verschieben sich die Anforderungen an Arbeitskräfte zunehmend dahingehend, dass vernetztes Denken, fachliche Expertise und Kreativität immer mehr nachgefragt werden, was eine mögliche Erklärung für die zunehmend länger werdende Ausbildungsdauer ist. Frauen können durch SEF Karriere machen oder anders gesagt in ihrer vom Kapital her gedachten “besten Zeit” als Arbeitskräfte ausgebeutet werden und sind dann durch die Technologie trotzdem später noch für die reproduktive Arbeit verfügbar.

Es erstaunt deshalb kaum, dass grosse Unternehmen wie Facebook und Apple 2014 ihre Mitarbeiter*innen-Pakete um gratis Social-Egg-Freezing erweiterten (Baldwin 2019: 30). Unterdessen zogen viele im Silicon Valley nach: JP Morgan, Microsoft, Google, Intel, Uber und Netflix bieten ihren Mitarbeiterinnen SEF an (Baldwin 2019: 30).

(Vogel 2013: 162) erachtet die Sozialisierung der reproduktiven Arbeit als Rationalisierung, welche eine höhere Verfügbarkeit von Arbeitskraft zur Folge hat. Social-Egg-Freezing ist jedoch gerade nicht eine Sozialisierung, sondern lässt die Verantwortung beim Individuum. Wenn SEF als individuelles Problem gerahmt wird, scheinen strukturelle Veränderungen unnötig (Cattapan et al. 2014: 239). Cattapan et al. ( 2014: 239) befürchten, dass SEF längerfristig zu einem moralischen Imperativ wird, um dieser individuellen Verantwortung gerecht zu werden. Ist dies ein Widerspruch zu Vogel’s Theorie? Vielleicht. Möglicherweise hat Vogel nicht damit gerechnet, dass der neoliberale Finanzkapitalismus sich so stark zu Gunsten der herrschenden Klasse organisiert, dass er es schafft, die Reservearmee an Arbeitskraft zu vergrössern und gleichzeitig die Reproduktion individualisiert zu belassen. Was ist besser als die Reproduktion durch kostspielige Auslagerung zu sozialisieren und gleichzeitig mehr Arbeitskraft zur Verfügung zu haben? Wohl wenn die Reproduktion nach wie vor ohne Kostenaufwand durch die Individuen gemacht wird und trotzdem mehr ausbeutbare Arbeitskraft zur Verfügung steht.

Doch vielleicht greift gerade hier der marxistische Blick zu kurz und müsste um Kategorien erweitert werden, welche bessere Erklärungen für die andauernde Wirkmächtigkeit des bürgerlichen Familienmodels liefern können. Auch wird hier nur eine Seite der Medaille betrachtet: Frauen sind die Möglichkeiten der Selbstverwirklichung im Arbeitsmarkt lange verwehrt geblieben. Dadurch, dass dies tendenziell besser möglich geworden ist, haben sich subjektive Freiheitsgrade und Wahlmöglichkeiten erhöht, was mit diesem streng marxistischen Blick potentiell vergessen gehen kann. Dies gilt es mitzudenken.

Literatur

Adsera, Alicia (2011): “Where are the babies? Labor market conditions and fertility in Europe.” European journal of population = Revue européenne de démographie 27(1).

Alteri, Alessandra/Pisaturo, Valerio/Nogueira, Daniela & D’Angelo, Arianna (2019): “Elective Egg Freezing Without Medical Indications.” Acta Obstet Gynecol Scand 98(5): 647–652.

Baldwin, Kylie (2018): “Conceptualising Women’s Motivations for Social Egg Freezing and Experience of Reproductive Delay.” Sociol Health Illn 40(5): 859–873.

——— (2019): Egg Freezing, Fertility and Reproductive Choice: Negotiating Responsibility, Hope and Modern Motherhood. S.l.: Emerald Publishing Limited.

Baldwin, Kylie/Culley, Lorraine/Hudson, Nicky & Mitchell, Helene (2019): “Running Out of Time: Exploring Women’s Motivations for Social Egg Freezing.” Journal of Psychosomatic Obstetrics & Gynecology 40(2): 166–173.

Berrington, Ann (2004): Perpetual Postponers?: Women’s, Men’s and Couple’s Fertility Intentions and Subsequent Fertility Behaviour. Place of publication not identified: Office for National Statistics.

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——— (2019a): Lebendgeburten Nach Alter Der Mutter. Neuchatel: Bundesamt für Statistik.

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Bono, Emilia Del/Weber, Andrea & Winter-Ebmer, Rudolf (2015): “Fertility and Economic Instability: The Role of Unemployment and Job Displacement.” J Popul Econ Journal of Population Economics 28(2): 463–478.

Cattapan, Alana/Hammond, Kathleen/Haw, Jennie & Tarasoff, Lesley A. (2014): “Breaking the Ice: Young Feminist Scholars of Reproductive Politics Reflect on Egg Freezing.” IJFAB: International Journal of Feminist Approaches to Bioethics 7(2): 236–247.

Clarke, VE & Hammarberg, K (2005): “Reasons for Delaying Childbearing: A Survey of Women Aged over 35 Years Seeking Assisted Reproductive Technology.” Australian Family Physician 34(3): 187–188, 206.

Cooke, A/Mills, T. A & Lavender, T (2012): “Advanced Maternal Age: Delayed Childbearing Is Rarely a Conscious Choice.” International Journal of Nursing Studies 49(1): 30–39.

Daly, Irenee & Bewley, Susan (2013): “Reproductive Ageing and Conflicting Clocks: King Midas’ touchReproductive Ageing and Conflicting Clocks.” RBMO Reproductive BioMedicine Online 27(6): 722–732.

Daniluk, Judith C & Koert, Emily (2017): “Between a rock and a hard place: The reasons why women delay childbearing.” IJH International Journal of Healthcare 3(1): 76.

Harwood, Karey (2009): “Egg Freezing: A Breakthrough for Reproductive Autonomy?” Bioethics 23(1): 39–46.

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Hotz, Sandra (2017): “Eizellenvorsorge eine rechtliche Annäherung unter besonderer Berücksichtigung der Rechte und Pflichten aus Behandlungsvertrag.” Recht. Zeitschrift für juristische Weiterbildung und Praxis. 35(1): 1–19.

Tough, S. C et al. (2002): “Delayed Childbearing and Its Impact on Population Rate Changes in Lower Birth Weight, Multiple Birth, and Preterm Delivery.” Obstetrical & gynecological survey. 57: 485–486.

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Waldby, Cathy (2015): “’Banking time’: egg freezing and the negotiation of future fertility.” Culture, health & sexuality. 17(3-4): 470–482.

Wunder, D (2013): “Social Freezing in Switzerland and Worldwide - a Blessing for Women Today?” Swiss Medical Weekly 143: w13746.


  1. Für einige feministische Theoretikerinnen wie Shulamit Firestone oder Donna Haraway galt die Befreiung der Frauen von der Last der Schwangerschaft durch Reproduktionstechnologien als Utopie, während von anderen, wie beispielsweise Bielefelder Ökofeministinnen in den 1980ern, der Einsatz von Reproduktionstechnologien als ultimative patriarchale Aneignung der Schwangerschaft als letztes Eigentum der Frauen dystopisch interpretiert wurden. ↩︎

  2. Vogel weist darauf hin, dass die Arbeitskräfte auch durch Immigration oder Sklaverei ersetzt werden können (Vogel 2013: 145). ↩︎

Matthias Zaugg

I’m a MA-student in sociology & political science (also former software developer & social worker).